"Vegan" durchs Allgäu

Es war in jener Zeit, in der sich Bischof Tebartz van Elst anschickte ein Vermögen für seine Behausung auszugeben und die USA kurz überlegte, ob sie sich öffentlich für bankrott erklären solle, als der ehemalige Azubi Christoph eine Reise für die elf Wanderfreunde der Betong Union in die Pfalz plante. Dies schien zunächst möglich, doch bei der Wahl der diesjährigen Residenz, schickte sich unser Jungsporn an, derartige Unmassen an Geld hierfür zu veranschlagen, dass sich in einer geheimen Sitzung eine Gruppe vernünftiger Menschen zusammenraufte und beschloss, sich in diesem Jahr mit gutem Beispiel vorangehend, zu bescheiden, und eine andere Unterkunft zu suchen. Oben genannter Bischof hatte zwar die Reise zu seinem Oberhaupt nach Rom überlebt, aber er wurde schlichtweg auch erst einmal in die Verbannung geschickt. In Anbetracht der zu erwarteten Strenge unserer Kassenführerin Alwine, wäre Christoph damit gut bedient gewesen, aber man weiß ja nie. Und so stellten sich einige der BU Silberrücken schützend vor den jungen Mann und behaupteten auf Anfrage der guten Frau einfach, man habe sich wetterbedingt dazu entschieden eine Reise ins Allgäu zu machen. Edwin erinnerte sich an einen Alt Betongunionisten, Alexander, der im beschaulischen Allgäu eine bescheidene Herberge besaß, und auf Nachfrage gerne dazu bereit war, sie seinen alten Freunden zur Verfügung zu stellen. Die Hütte sei frisch gesäubert und mit vereinzelt an der Wand befindlichen braunen Flecken könnten wir doch für einige Tage leben. Edwin, erfahren in der zu bereisenden Gegend, erklärte sich bereit dazu, einige hübsche Touren auszuarbeiten, die sowohl den Ansprüchen , als auch den Fähigkeiten der Wanderer entsprechen würden. Die Anreise an einem Mittwoch Abend stellte sich zwar als anstrengend heraus aber außer kleineren Gewitterwolken in einem Auto bezüglich der A8 kam es zu keinen nennenswerten Vorkommnissen. Und so trafen die letzten Reisenden gegen 1:30 Uhr in der Früh ein, willens die Nacht hier noch nicht beenden zu wollen, da man ja noch einige Zeit in den nächsten Tagen finden würde, sich von den Strapazen zu erholen. Aber eine Unruhe bahnte sich jetzt ihren Weg. Gab es zwar in der Herberge genug Platz für jeden Wanderer, so waren doch die Betten so abgezählt, dass sie einer fünfköpfigen Familie Genüge leisteten. Wie jetzt vorgehen, ohne dass es zu handgreiflichen Auseinandersetzungen um die Schlafstätten kommen musste. Es wurden Vorschläge gesammelt. Alter, Gewicht, Schweregrad der derzeitigen Verletzungen, Dauer der Zugehörigkeit im Club. Meinhold freute sich zu früh. Insgeheim liebäugelte er schon mit einer individuellen Belegung von mehreren Betten gleichzeitig, doch dann kam so etwas wie Vernunft in die aufgewühlte Meute. König Zufall sollte entscheiden. Ein in einer Ecke liegendes Kartenspiel wurde gemischt und Karten gezogen. Bube bekommt Bett. Die Auslosung wurde mit zittrigen Händen und vehementer Spannung durchgeführt. Nur einer, Christoph, sei es nun aus schlechtem Gewissen wegen seiner zuvor zu opulenten Reiseplanung oder weil er über die psychischen Gefahren einer Zeit nach der Verlosung Bescheid wusste, sagte sofort, dass er gerne auf ein Bett verzichten und stattdessen in einem Schrank schlafen wolle. Ein kurzes dreifaches Hurra von allen anderen, einer weniger. Damit nicht genug. Gleichzeitig verkündete er mit verklärtem Blick, dass er die kommenden Tage dazu nutzen wolle, seinen Körper vor jeglichen Rauschgefahren zu schützen und vegan in den Tag zu leben, stand auf und holte ein selbstgeflochtenes Weidenkörbchen aus dem Auto, in dem sich eine bescheidene Auswahl an in Leinen gewickelter und getrockneter Feldfrüchte befand. Und nicht nur der an modernen Lebensformen interessierte Sascha sagte zu, warum auch immer, ihn in diese Phase seines Lebens zu begleiten. Die Auslosung der Betten hinterließ verständlicherweise unterschiedliche Stimmungen. Letztlich ist hier nur erwähnenswert, dass sich so manch einer nach drei Nächten mit einem fremden Bettgesellen nur noch schwer ein zukünftig anderes Leben vorstellen wollte. Aber es ist bekannt, dass Urlaub einen Menschen oder eine Situation oft nur in einem Zauber sehen lässt, den der Alltag einem nicht geben kann. Nachdem die Spannung nach der Auslosung endlich vom Tisch war, konnte man dann endlich auch was Flüssiges und Geistreiches auf den Tisch stellen. Und da Edwin den Burschen für den kommenden Tag eine gemütliche Einstiegstour versprach, sah sich niemand dazu verleitet, sein Heil im Schlaf zu suchen. Ein fatales Erwachen war die Folge, aber da Edwin jetzt auch nicht mit der Peitsche zum ersten Hahnenschrei zum Aufbruch rief, machten sich die Wanderer zu angemessener Zeit auf, den zwar als gefährlich aber machbaren Gipfel des Hochgrads zu besteigen. Hier glaubten zwar alle noch an die Mär der gemütlichen Einstiegstour, aber als ob ihm in der Nacht ein warnender Engel etwas geflüstert hätte, sagte Arnulf vor dem Abmarsch, dass er aus Gewichtsgründen dieses Mal, sein Obst in Flaschen verpackt habe. Die Autos wurden dann zwar an einem komfortabel nach oben gehenden Lift geparkt, aber aus ökonomischen und ökologischen Gründen stimmten alle darin überein, den Weg laufend zu erledigen. Über angenehmes Geläuf wurden schnell die ersten Höhenmeter gemacht. Jeder, in alters – und körperangemessenem Tempo, ging seinen Weg. Es wurden philosophische, häufig auch medizinische Themen besprochen, manche unterhielten sich schlichtweg auch über Gott und die Welt, andere wiederum, ganz auf sich selbst konzentriert, gar nicht. Dann wurde die erste Hütte ( Butzi welche??????) erreicht und es war eine kleine Sensation. Eine norddeutsche, sicherlich dort auch sehr bekannte Kapelle, spielte auf und ließ keine Wünsche offen. Ja, das war Einheit. Deutsche Einheit, und Hoffnung auf eine bessere Welt fand hier Nahrung. Die wiederum konnte von den Wanderern hier schon nicht mehr in fester Form zu sich genommen werden. Fruchtsäfte wurden gereicht, und wer sich darüber hinaus noch etwas Leichtes aus der Schänke holen wollte, fand sich in einem Pulk von Menschen wieder, die alle geduldig der langsam aber kontinuierlich zapfenden Wirtin zusehen durften. Doch der Berg rief schon wieder und so verabschiedete man sich händeschüttelnd von den anderen Gästen, wünschte sich frohes Gelingen und setzte den Weg fort. Und erneut bildeten sich ständig wechselnde Gruppen die zielstrebig dem Gipfel entgegenschritten. Leider musste Manuel die Sauerstoffflaschen an der Hütte lassen und so war er für den Rest des Weges ganz auf sich selbst gestellt, der wackere Mann. Egon und Hans hatten ihre Sambas in diesem Jahr nicht dabei, doch die Umstellung auf das neue Schuhwerk konnten sie mühelos bewerkstelligen. In einem unüberschaubaren Gebiet trennten sich auch die im Vorstieg befindlichen Urs, Hubert und Meinhold, die letzten beiden, um den vorher besprochenen Weg zu verfolgen, ersterer um noch einen Gipfel im Alleingang zu erklimmen. Müde aber überglücklich erreichten Hubert und Meinhold das Ziel, aufgeschreckt nur durch einen Rettungshelikopter. Ob Manuel doch in größeren Schwierigkeiten war wegen des Sauerstoffs. Man müsse es abwarten, tun könne man für ihn im Augenblick ja doch nichts. Warten. Nichts als Warten. Dazu schienen sie für eine übermenschlich lange Zeit verdammt zu sein. Und Flüssigkeitsaufnahme. Auch daran musste jetzt gedacht werden und es wurde daran gedacht. Nach einer schier unendlichen Zeitspanne tauchten die ersten Gestalten am Horizont auf. Sichtlich erschöpft, aber auch mit einem glücklichen Lächeln, das Ziel erreicht zu haben , staksten sie die letzte Ansteigung hoch. Arnulf, vermutlich auf dem der Weg ist das Ziel Trip, vollzog auf den letzten 100 Metern noch einige rituelle Niederwerfungen. Dann waren die zuvor getrennten Freunde alle wieder beisammen. Alle? Nein, Edwin, der Reiseleitung, war die ganze Verantwortung für die 10 anderen vermutlich doch zuviel geworden. Er brauchte erst einmal Abstand und hielt innere Einkehr in einer schattigen und dunklen Gastwirtschaft. Meist schweigend sahen die Wanderer dem sich langsam dem Abend neigenden Tag bei seiner Tätigkeit zu. Der Abstieg wurde unterschiedlich vollzogen. Manche schrieen fast – ich scheiß was auf die Ökologie, ich fahr mit der Bahn runter-, manche liefen beschwingt den Berg hinab, wiederum andere gingen meditativ und gelassen, zielgerichtet. Letztlich sammelte man sich erneut an den Fahrzeugen, um eine Lokalität zu suchen, die jetzt auch der Nahrungsaufnahme dienen sollte. Nachdem die Wandersleute zunächst mit Argwohn von den Bediensteten betrachtet wurden, öffnete danach ihr Charme, vielleicht auch die Anwesenheit des Meisters die Herzen der Bedienung und des Schankwirts und es wurden leckere Speisen gereicht, veganes Gemüse, veganes Schwein und sogar veganer Hirsch waren im Angebot und lösten rundum ein anerkennendes Kopfnicken aus. Zurück zur Herberge und dann ging es zufrieden über die vollbrachte Leistung schnell ins Bett. Am nächsten Morgen wollte Petrus die 11 Freunde zunächst vor überhastetem Start schützen. Es regnete, aber dann fiel den meisten das Dach doch dermaßen auf den Kopf, dass man sich aufmachte, um dem Körper Luft zu verschaffen. Seil, Pickel und Steigeisen wurden in der Herberge gelassen, was Kleines wurde von der Reiseleitung ausgewählt. Und so kam es wie es kommen musste, alles ging gut. Und weil sich am Vorabend im Ort rumgesprochen hatte, dass die Wanderer Glut selbst in die kühlste Hütte bringen konnten, wurde eine Tournee einer ortsansässigen Jodeltruppe kurzfristig abgebrochen, damit sie für die Freunde in der ausgewählten Wirtschaft aufspielen konnten. Und so manch einem blieb vor Rührung das Essen fast im Halse stecken. Man verstand nicht die einzelnen Worte , doch jeder wusste, hier geht es um Liebe, Leidenschaft und langes Leben. Und wäre ein Mikrofon in der Nähe gewesen, Arnulf hätte die jungen Burschen gut und gerne begleitet. In die Herberge zurückgekehrt, wurden zunächst einige Fässer Bier angestochen. Danach übten sich einige im Mini Fußballspiel auf einem Tisch andere wiederum gaben sich dem Kartenspiel hin. Nach anfänglichem Zaudern, wurde die Stimmung dann ausgelassen. Da die Reiseleitung schon zu Bett war, konnten sich die noch Wachgebliebenen mal so richtig gehen lassen. Karten wurden auf den Tisch gelegt und eine Partie Strippoker gespielt. Hans, Sascha und Hubert waren leider schon sehr früh aus dem Rennen ( Foto Sauna), was der guten Allgemeinstimmung jedoch keinen Abbruch tat. Und dann suchte jeder seine Schlafstätte auf und hing noch ein wenig den Eindrücken des vergangenen Tages nach. Am nächsten Morgen kam bei Sascha und Manuel ein schlichtweg unerträgliches Heimweh auf und die beiden verließen die anderen, nicht ohne ihnen noch eine erfolgreiche Zeit zu wünschen. Nach anfänglichem Regen wurde eine Abschlussetappe ausgeklügelt. Zunächst wurde der ein oder andere Gipfel noch im Sturm genommen. Die Reiseleitung sorgte dann noch für einen Eklat. Bei der Wahl darum, was als nächstes zu tun sei und einer daraus resultierenden Patt Situation, wurde sie, ihrer Verantwortung angemessen, um eine Entscheidung ersucht. Aber was auch immer an den Tagen oder in den Nächten zuvor vorgefallen sein mag, urplötzlich war sie nicht mehr dazu bereit, eben diese oft fürs schlichte Überleben im Berg notwendige Verantwortung zu übernehmen. Mit den in den kalten Nebel gehauchten Worten – ich entscheide hier gar nichts – ließ sie die nun ratlosen Freunde mit sich selbst allein. Kurz und gut, die Freunde trafen eine Entscheidung und wie so oft, diese Entscheidung stellte sich als die einzig richtige heraus. Danach kam die erste Nervosität bei den in niedrigen Klassen spielenden Fußballmannschaftsanhängern auf. Christoph wurde jetzt neben der veganen Schwächung auch noch durch einen herben Schicksalsschlag zermürbt. Nach günstigem Start verlor seine Mannschaft dann doch noch zur Freude von Hans und Egon, die wiederum urplötzlich gute Laune verströmten. Wie um die Laune nun auf den Höhepunkt schrauben zu wollen, entdeckte Egon dann die von wem auch immer in Betongunionfarben gestrichenen Vogelnistkästen. Dies konnte kein Zufall sein. Bereits bei der Wanderung des Vorjahres war aufgefallen, dass irgendjemand die Wege der Wanderer im Vorfeld mit gelb roten Fahnen geschmückt hatte. Wer und wann? Zwei Fragen. Keine Antwort. Nach dem Abstieg ging es schnurstracks in die nächste Gaststätte. Hieß sie jetzt zum goldenen Hirschen oder aber zum scheuen Reh, das war jetzt unerheblich. Wichtig war die Stärkung der ausgemergelten Körper. Man trat ein und machte durch rhythmisches Schlagen auf die Tische auf sich aufmerksam. Der Wirt trat in die Gaststube und erkundigte sich zunächst danach, ob jemand da sei. Als dies bejaht wurde, sagte er höflich – guten Tag. Die Speisekarte würden wir nicht lange studieren müssen, da sie eh nicht mehr aktuell sei. Er habe vom Alpenverein gehört, dass sich vor einigen Stunden in der Gruppe ein Vorfall ereignet habe der ihn dazu veranlassen würde, erst dann eine Nahrung herzustellen, wenn diese von allen gemeinsam bestellt würde. Welch weiser Mann. Vegan war sowieso klar. Also bestellten alle veganes Hirschgoulasch. Aber so leicht sollte es den Wanderern dann doch nicht gemacht werden. Zwar sei das Goulasch nach Aussage des Wirtes wahrhaftig sehr sehr lecker, nur habe er es nicht aufgetaut und so stünde es zu diesem Zeitpunkt leider nicht zur Verfügung. Es gäbe aber leckeres Schnitzel mit Salat oder aber Salat mit Schnitzel. Je nach Vorliebe auch das Schnitzel auf dem Salat oder aber, gegen geringen Aufpreis, der Salat auf dem Schnitzel. Schnitzel ohne Salat hingegen sei aus. Verwundert sahen sich die ausgehungerten Bergleute an. Handelte es sich hier um eine findige Aufmerksamkeitsprüfung des Wirtes. Lange Stille. Doch Edwin durchbrach dann die langanhaltende entstandene Stille und schrie in den Raum. Tolle Idee, ja das nehmen wir, das in der Mitte. Während der kurzen Zubereitungszeit des Essens konnten die Wanderer in aller Ruhe die mitgebrachten Romane zu Ende lesen und danach miteinander tauschen und den neuen schon einmal in beseelter Ruhe anfangen. Nach vollbrachtem Mahl kam es dann zu zähen Preisverhandlungen. Hubert stellte sich hier als beinharter und unerwartet skrupelfreier Geschäftsmann heraus und Christoph musste dem jetzt bis ins Mark schockiertem Wirtsmann beistehen, damit für alle doch noch so was wie eine win win Situation entstehen konnte. Unter lautem Geschrei wurden die Verhandlungen beendet und per Handschlag als für rechtskräftig befunden. Zurück in der Herberge wurden die geschundenen Körper zunächst grob von den entstandenen Verschmutzungen gesäubert. An jenem Abend geschah es dann, dass mit Ausnahme des jetzt doch schon durch das vegane Leben ausgezehrten Christoph, alle Wanderer voller Zufriedenheit dem sportlichen Treiben im Fernsehen zusahen. Es wurde geklatscht, gehüpft und auch die Halsadern des Meisters wurden noch einmal auf ihre Stabilität und Elastizität geprüft. Die verbliebenen Fässer wurden in bekannter Art und Weise geleert, damit für die Rückfahrt unnötiges und treibstofffressendes Gewicht vermieden wurde. Am Morgen der Abreise war es dann Urs, der der mehrtägigen Reise mit dem kurzen aus nur vier Buchstaben, aber alles sagendem Wort –chön- die angemessene Würdigung verlieh.